Die Alterslüge

Ich werde bald 60. Ich werde immer älter. Ich werde irgendwann sterben.

Ich bin mir dessen bewusst. Das ist meine menschliche Natur.

Trotzdem: ich will nicht älter werden

Als Schulkind war ich mir irgendwann sicher, dass mein Leben spätestens mit vierzig vorbei ist. Ich hatte die Erwachsenen beobachtet und daraus geschlossen, dass alles, was ich erleben wollte wohl vor 40 passieren muss, da es nach 40 nicht mehr passieren würde. Als ich dann 12 war, wollte ich dringend älter werden. Dieser Wunsch hielt an bis ich ungefähr 20 war und verkehrte sich ab 30 in die Furcht vorm älter werden. Die ersten Falten stellten sich ein und dann die ersten grauen Haare. Und mit Anfang 40 zwei Enkel auf einen Schlag. Sag bloß nicht Omma zu mir! Ich will nicht alt werden. Mir gefällt die Vorstellung nicht – sie hat mir noch nie gefallen. Meine Mutter (87 J.) sagt mir schon seit vielen Jahren: „es wird ja nicht mehr besser, es wird immer schlechter“. Sie ist nicht die Einzige mit dieser Haltung. Seit einiger Zeit höre ich auch von meinen Altersgenossen: „es wird ja nicht besser“. Sie meinen damit meistens ihre körperliche und mentale Fitness, die sich aufgrund ihres Alters, natürlicherweise! kontinuierlich verschlechtert. Ich bin damit noch nie einverstanden gewesen. So kann das doch nicht gemeint sein mit dem Altern. Ich will mich doch zum Mehr bewegen und nicht zum weniger.

Wie Altern bei mir funktionierte

Ich habe mein Leben untersucht und viele Zeichen gefunden wie ich mein alt werden richtiggehend erzeuge. Ich bin faul. Ich will mich lieber ausruhen, als arbeiten. Ich arrangiere mich mit den vielen kleinen Unzulänglichkeiten meines Haushalts, meiner Geräte, meines Alltags. Ich denke täglich an Sport, dabei bleibt es. Ich esse und fühle mich danach unbeweglich. Ich lese und vergesse den Inhalt… momentmal, vergesse? Ich nehme den Inhalt erst gar nicht auf – es ist mir zu mühevoll. Ich habe doch schon so viel geleistet in meinem Leben, jetzt darf ich doch ruhig langsamer und weniger tun. Und dann kann ich sehen, was ich tue: ich erkläre mir jedes „ich habe keine Lust“ mit einem „ich kann nicht“. Ich spüre es dann auch „real“ in meinem Körper und Geist: ich bin müde, frustriert, eingeschränkt, schwach…! Und schon ist das „es-wird-ja-nicht-besser“ manifestiert. Ich habe meinen Forscherblick verloren, meine Abenteuerlust, mein Verstehen-wollen, meine sexuelle Lust, meine kindliche Freude…! Was kommt dabei heraus? Ich fühle mich kraftlos und machtlos und definiere das als: „Ich werde alt“. Prima Ausrede, die jeder glaubt und die wir alle täglich als richtig beweisen. Ich folge dabei dem Bild vom älter werden welches wir in unserer Gesellschaft aufgebaut haben. Ich stelle es nicht in frage – ich glaube einfach daran.

Ich kündige

Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die eine positive Einstellung zum älter werden haben sogar einige Jahre länger leben, als die mit einer negativen Einstellung. Mir geht es aber nicht darum länger zu leben, sondern mein Leben in einer hohen Qualität zu leben. Ich will lebendig bleiben, „bei Kräften“ bleiben. Ich will mein Bewusstsein erweitern. Ich will mein Leben bis zum Ende selbst gestalten. Ich will Neues erleben und lernen. Ich will ausprobieren. Ich will meinen Beitrag in die Gemeinschaft geben. Ich will meine Kräfte bis zuletzt ausleben. Die aktuelle Hirnforschung belegt, dass ein alterndes Gehirn nicht schlechter funktionieren muss als ein junges. Gut! dann kündige ich jetzt meinen alten Vorstellungen vom Altern. Das große Vergessen und mich nicht mehr selbstständig bewegen können sind für mich keine Optionen. Ich glaube daran, dass ich eine Wahl habe in welchen Zustand ich hinein altere. Diese Wahl will ich treffen. Ich will alt werden so, wie es zu mir passt.

Meine Zukunft

Ich habe Kräfte, die mich ausmachen. Mit diesen Kräften gestalte ich mein Leben. Ich entwickele mich weiter, ich wachse. Ich kann alles, was ich wirklich will, tun und erreichen. Ich kann alles, wovor ich mich in meinem bisherigen Leben gescheut habe noch angehen. Ich will klettern, Handball spielen lernen, Trampolin springen, meine sexuelle Lust erleben und teilen, Rollschuh laufen…! Es wird immer wieder etwas Neues dazu kommen, da bin ich sicher. Und immer, wenn aus Versehen danke, dafür bist du zu alt, dann mache ich mir klar, dass ich wieder auf die „Alterslüge“ hereingefallen bin und verbinde mich mit meinen Kräften.

Irgendwann, wenn ich wirklich keine Lust mehr auf dieses Leben habe, weil ich es/mich ausgelebt habe, dann will ich sterben. Einfach so, ohne vorherige Ausruhzeit in einem Pflegebett. Und mit Freude auf die weitere Reise meiner Seele.

Ich werde bald 60.

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1 Kommentar

Heidi Hornlein · 22. September 2018 um 7:29

Mit 60 wärest du wirklich viel zu jung, um zu denken Du seist alt. Alt ist was ganz andres, und es kommt, wenn Du kang genug lebst. Vielleicht in 20 Jahren, aber es kommt, wenn Du irgendwann wirklich weniger Rnrtgir hst und es Dir nicht nur einbildest! Viel Spass auf der Reise

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