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Worauf gründen unsere Liebesbeziehungen?

Vor einiger Zeit wurde ich gefragt, woran ich erkannt hätte, dass ich mit meiner Frau eine Partnerschaft eingehen wollte. Ich antwortete, nicht ohne Stolz: Es war Liebe auf den ersten Blick.

Dann kam die nächste Frage: “Woran hast du das denn festgemacht?” Uups, jetzt spürte ich schon die Falle und konnte es zugleich nicht glauben, dass ich mir dies noch niemals vorher klar gemacht hatte. Ich konnte nur eine logische, ehrliche Antwort geben: Weil sie mir gefallen hat! Ihre Ausstrahlung, ihr Lachen, ihr Aussehen und ihr Körper!

Auweia. Noch vor 1-2 Jahren, hätte ich das einfach so selbstverständlich aussprechen können. Doch jetzt mitten in meiner persönlichen Transformation von der ich ja schon in meinem Blog “Nach Vorne in die Vergangenheit” berichtet habe, ging das nicht mehr. Ich dachte, damit behaupte ich doch allen Ernstes, dass ich mich nur wegen eines äußeren ersten Eindruckes in meine Frau verliebt hatte. Aber wie anders soll es denn gehen, bei “Liebe auf den ersten Blick.”

Kennenlernen

Ich habe meine Frau im Rahmen meines Sportstudiums auf einer Skireise kennengelernt. Beim ersten gemeinsamen Treffen am ersten Abend ist sie mir unter 70 Studenten sofort aufgefallen und von diesem Augenblick an, fühlte ich mich von ihr angezogen. Während der nächsten 14 Tage unserer gemeinsamen Reise, habe ich um sie geworben, so wie ich damals dachte, dass MANN es macht. Ich wollte ihr imponieren, habe ihr gezeigt, was für ein toller Typ ich bin: sportlich und auch intellektuell. Ich konnte sehr gut Skilaufen. Das war natürlich schon mal eine Basis. Ich tanze auch gerne. Die Feten am Abend waren also das nächste Spielfeld. Beim Doppelkopfspielen konnte ich auch punkten. Und nachts habe ich sie im SPA-Bereich (der hieß damals noch nicht so) mit meinen weltanschaulichen Weisheiten vollgetextet. Ich fühlte mich ziemlich cool und begehrte sie.

Das Spiel

Sie signalisierte mir, dass ich ihr gefalle. Zugleich ließ sie mich zappeln und spielte noch ein wenig das Shittest-Spiel, dass Lodovico Satana in seinem Buch Lob des Sexismus: Frauen verstehen, verführen und behalten beschreibt: “Erinnere dich an die beiden Hauptsätze der weiblichen Sexualität (Kapitel 4a)! Wenn du die Tests einer Frau bestehst, wird deine Anziehungskraft auf sie exponentiell steigen (Selektion), wenn du aber versagst, wird sie das sexuelle Interesse an dir verlieren (Betaisierung)… Shit Tests sind psychologische Fallen, die es Frauen ermöglichen, Männer nach den Kriterien des Alpha-Mannes zu selektieren.” (Seite 161).

Ich hatte Glück, dass ich den ersten Test bestanden hatte, denn ich hatte damals keine Ahnung von dem Spiel. So gab es auch noch keinen Sex. Die wirkliche Antwort auf die Frage, ob wir ein Paar werden, wurde erst beantwortet, als wir uns in Berlin einige Tage nach dem Urlaub wieder getroffen haben. Jetzt gab es Sex und von diesem Tag an waren wir ein Paar.

Verliebt und dann?

Am Anfang war ja die unerklärliche Zeit der Verliebtheit. Und dann, mit der Zeit, kamen die Probleme, so wie wohl bei allen Paaren, die sich so kennenlernen. Die einen trennen sich dann, weil sie glauben, sich wohl geirrt zu haben, die anderen beginnen nun mit der Beziehungsarbeit, meist irgendwann mit externer Unterstützung bei Therapeuten.  Die größte Herausforderung kommt für die meisten der Paare dann, wenn sie sich auf die Gleiche romantische Art, wie sich füreinander entschieden haben, irgendwann für Kinder entscheiden.

Wir dachten natürlich uns würde das nicht passieren, auch wie vermutlich alle Paare am Anfang.

Ich war damals Tutor am philosophischen Institut an der FU Berlin. Ich habe mich als politischer, reflektierter Mensch gesehen, in einer WG gelebt, in der viel diskutiert wurde über alternative Gesellschaftsmodelle. Wir haben über die Gründung eines Tagungszentrums nachgedacht oder die Einrichtung eines ÖKO-Kaufhauses.

Obwohl wir verliebt waren und glaubten, dass wir zusammengehören, waren wir reflektiert genug, zu verstehen, dass Beziehung nicht von alleine funktioniert. Wir glaubten verstanden zu haben, dass wir Themen aus unserer Kindheit mitgebracht haben und das wir daran arbeiten müssten. Wir haben uns im Laufe der vielen Jahre eingeredet, dass wir unsere Beziehung stetig entwickelt haben, natürlich auch unterstützt durch psychologische Unterstützung durch Therapeuten und Coachs. Für viele unserer Freunde waren wir eine Vorzeigebeziehung.

Harry und Sally lassen grüßen!

Ich habe seitdem viele Geschichten von Freunden gehört, wie sie sich kennengelernt haben. Die meisten liefen so oder so ähnlich ab. Nur wenige erzählten, dass am Anfang kein Verliebtsein war. Sondern, dass sie gemeinsame Themen verfolgt haben und sich über diese ausgetauscht haben, dass sie sich immer besser und tiefer kennengelernt haben und dass sie immer vertrauter miteinander wurden. Wenn man sie gefragt hat, haben sie gesagt, sie hätten ein Freundschaft und keine Beziehung. Und dann irgendwann, vielleicht weil etwas Alkohol im Spiel war, einer oder beide in melancholischer oder euphorischer Stimmung war, kam auch das sexuelle Verlange dazu. Und danach dann die Panik: Was wird aus unser Freundschaft.

Ich dachte immer, wenn ich solche Geschichten gehört habe, die Armen, sie haben die wahre Liebe nicht gefunden. Heute weiß ich, wie sehr ICH im Irrtum war.

Denn schon bevor mir die Frage gestellt wurde, wie wir zusammengekommen sind, war mir klar, dass wir uns etwas vorgemacht haben mit unserer Hoffnung, dass wir unsere Beziehung mit all unseren Versuchen auf eine solide Basis aufgebaut haben oder eine solche im Laufe unser “Beziehungsarbeit” gefunden hätten.

Erst durch die Frage und durch viel Forschungsarbeit und schmerzlicher Auseinandersetzung mit der Wahrheit weiß ich,  dass der wirkliche Grund für unsere Beziehung unbewusste gegenseitige Befriedigung unserer Bedürfnisse war. Ich habe auch verstanden, dass diese entstanden sind, weil wir als Konsumenten im Mangel waren (vgl. mein Blog  Vom Kaufen zum Selbermachen – Mit den eigenen Kräften nachhaltig leben!).

Ich habe verstanden: Das Konzept von Verliebtheit und dem einen passenden Menschen ist eine romantische Vorstellung unserer Kultur, so wie M. Scott Peck in seinem erkenntnisreichen Buch “Der wunderbare Weg” ausführt.

Unsere romantische Vorstellung von der Liebe

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Nun lag die Frage natürlich direkt vor mir. Was ist denn nun das gemeinsame Thema einer Liebesbeziehung?

Nun das Beispiel von Harry und Sally und die Partnerschaft des Menschen, der mir die Ausgangsfrage gestellt hatte, gaben mir die Antwort: Das Interesse an gemeinsamen Themen, eine Übereinstimmung in wichtigen, weltanschaulichen und spirituellen Themen und letztlich eine tiefe, innere Seelenverbindung, das zusammen ist die Basis für eine Liebespartnerschaft. Oder wie Scott Peck ausführt: “Ich habe Liebe als den Willen definiert, sich selbst zu erweitern, um das eigene spirituelle Wachstum oder das eines anderen zu nähren” (S. 153).

Wachtumspartnerschaft

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Als ich das verstanden hatte, dachte ich zunächst, dass ich mich von meiner Frau trennen müsste. Dann wurde mir aber klar, dass ich damit nur die Form aber nicht den Inhalt ändern würde.

Nun beginnt für mich und meine Frau die eigentliche “Beziehungsarbeit”! Und diese fängt bei mir an. Je mehr ich mein Leben mit meinen gefundenen Kräften gestalte, je weniger Bedürfnisse richte ich an meine Frau und je besser erkenne ich die Mangelbedürfnisse, die von ihr an mich gerichtet werden. Ich muss zunächst wissen, wer ich eigentlich bin und meine Partnerin genauso. Erst dann können wir uns gemeinsam dazu entschließen eine “Wachstumspartnerschaft” einzugehen.

Es ist kein einfache Zeit für uns. Aber es gibt auch keine Alternative. Seit ich auf den Geschmack gekommen bin, mein wirkliches ICH zu entdecken, blicke ich mit Freude und Zuversicht auf den Lebensabschnitt der noch vor mir liegt.

Übrigens gilt dass, was ich für die Liebesbeziehung beschrieben habe, für die Beziehungen zu allen anderen Menschen in meinem Leben. Denn das Konzept, unsere Bedürfnisse von anderen befriedigt bekommen zu wollen, verfolgen wir auch bei unseren Eltern, Kindern, Freunden und Arbeitskollegen. Aber dazu ein anderes Mal mehr.

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